Training - Bricht die Fachkraft weg, ist die Sportsparte schnell in Bedrängnis

Thomas Breves und Jens Schipper
Der Heidmühler FC hat aktuell ein Problem in der Leichtathletik. Auch der MTV Wittmund stößt an seine Grenzen.
FRIESLAND/WITTMUND. Der Corona-Virus hat dafür gesorgt, dass der Trainings- und Spielbetrieb bei nahezu allen Vereinen eingestellt worden ist. Doch bei den Clubs steht das Leben deshalb noch lange nicht still. Viele Sparten müssen sich mit drängenden Fragen beschäftigen, einige haben schwerwiegende Probleme, die sie bislang nicht lösen konnten und möglicherweise auch während der Zwangspause wohl nur schwerlich lösen werden. Ein Mangel, der die Vereins- und Spartenverantwortlichen immer umtreibt, ist der der Übungsleiter. Ausbildungskurse beim Kreissportbund werden alljährlich angeboten, doch helfende Hände, zum Beispiel als Trainer einer Fußballmannschaft oder Leiter einer Turngruppe sind nicht immer leicht zu finden. Hart trifft es eine Sparte immer dann, wenn ihr Traineraushängeschild kürzer treten möchte oder ganz aufhören will. Gerd Remmers kann dieser Tage ein Lied davon singen. Der Leiter der Leichtathletiksparte des Heidmühler FC weiß derzeit nicht genau, wie er das Angebot zukünftig aufrecht erhalten soll.
Denn sein wichtigester Mann, Steffen Klaudius, hat signalisiert, dass er sein Programm aus gesundheitlichen Gründen deutlich herunter schrauben möchte. Klaudius ist insbesondere im Jugendtraining der Leichtathleten kaum wegzudenken. „Mit ihm haben wir wirklich Glück gehabt“, sagt Remmers und erinnert sich dabei an die Zeit zurück, als dem HFC schon einmal zahlreiche Trainer wegbrachen. Klaudius fing dies alles auf und schaffte es sogar, Sportler auszubilden, die im nationalen Leichtathletik-Geschehen eine entscheidende Rolle spielen. So wie Lale Eden, die mittlerweile zur deutschen Hochsprungelite zu zählen ist, aber in jungen Jahren auch in der Sparte kräftig ausgeholfen hat.
„Die Jugendlichen wachsen bei uns immer aus der Übungsleiterrolle heraus. Entweder sie sind zu gut, so wie Lale, oder sie gehen irgendwann studieren“, erklärt Remmers. Das Problem: eine so hochkomplexe Sportart – wie zum Beispiel Leichtathletik – lässt sich nicht in kurzer Zeit an einen neuen potenziellen Übungsleiter vermitteln. Technische Abläufe und Fertigkeiten werden über Jahre immer wieder geübt. Ein Trainer muss haargenau wissen, wie eine Bewegung in verschiedene Phasen zerlegt werden kann und wo es dann Möglichkeiten gibt, an den Stellschrauben zu drehen. „Ich brauche jetzt einen erfahrenen Trainer, der sich einbringen kann und auch das Organisatorische im Auge hat“, erklärt Gerd Remmers. „Wir buhlen aber mit vielen anderen gemeinsam. Wir sind ja nicht Hannover oder Wolfsburg, auch wenn wir auf Niedersachsenebene durchaus eine Rolle spielen. Aber selbst das reicht nicht“, umreißt er ein gravierendes Hindernis.
Remmers steht mit dem Übungsleiterproblem nicht alleine da. Auch der MTV Wittmund stößt im benachbarten Landkreis mit seiner Leichtathletik-Sparte an die Grenzen des Machbaren. Den etwa 50 aktiven Kindern und Jugendlichen stehen mit Gertrud Kollenbroich und Yasser Ahmad lediglich zwei lizenzierte Übungsleiter gegenüber. Unterstützung erhalten sie von zwei ausgebildeten Sportassistenten – ein weiterer steht zudem in den Startlöchern. Doch meist endet diese Unterstützung der potenziellen Übungsleiter mit dem Beginn eines Studiums fernab der Harlestadt. „Mittelfristig wird man gucken müssen, ob es eventuell nicht Sinn macht, wenn die wenigen Vereine aus der Umgebung, die noch Leichtathletik anbieten, ihre Kräfte bündeln“, blickt Kollenbroich voraus – wie auch schon bei der Förderung des Ausnahmetalentes Fortuna Nkengue. Denn vor dem Wechsel auf das Sportinternat in Hannover hatte sich die junge Wittmunderin bereits regelmäßig auf der Hochsprunganlage in Schortens – unter der Leitung des HFC-Trainers Steffen Klaudius – auf ihre Wettkämpfe vorbereitet.
Händeringend nach Helfern wird auch beim MTV Jever gesucht. Die Turnsparte boomt. Auf der nun abgesagten Jahreshauptversammlung des Clubs wollte der Vorsitzende Stefan König eigentlich neue, beeindruckende Zahlen vom Gerätturnen präsentieren. Spartenleiterin Jeanette Weigert muss immer wieder Eltern und Kinder vertrösten. Nicht alle können bei ihr aufgenommen werden. Es fehlt neben ausreichend Hallenzeiten auch qualifiziertes Personal. „Wir sind immer in Not“, sagt Weigert. Gerade in fachspezifischen Sportarten – wie Turnen, Leichtathletik oder auch Judo – ist das Lehren ohne Vorkenntnis schwerlich machbar. In allgemeinen Sportgruppen sei das möglich, wenn es pädagogische Vorkenntnis gibt.
„Die Ausbildung von Übungsleitern nimmt sehr viel Zeit in Anspruch“, erklärt die Spartenleiterin des MTV, „gerade das macht es so schwierig bei uns.“ Als sie die Abteilung vor einige Jahren übernommen hatte, entschied sie sich schnell, schon den Turnnachwuchs mit einzubinden. Ab zwölf Jahren ist das grundsätzlich möglich. Über die Kreis- und Landessportbünde wird dann die Ausbildung zum Vereinssportassistenten organisiert. „Die Jugendlichen werden in die Lage versetzt, eine Gruppe zu leiten. Die haben da auch Bock drauf“, sagt Weigert. Später brechen diese Kräfte allerdings oftmals wegen Studium oder Ausbildung weg. „Wir hoffen natürlich, dass die alle irgendwann zurückkommen“, sagt die Spartenleiterin.

aus "Anzeiger für Harlingerland" vom 21.03.2020