OSTFRIESLAND/ULM. Da haben sich die Schwaben wohl mit den Falschen angelegt. Die Organisatoren des Einstein-Marathons in Ulm haben die Verantwortlichen des Ossiloops herausgefordert, ihre Laufgemeinde zu mobilisieren und im sportlichen Wettstreit gegen das Team aus Schwaben anzutreten. Die Aufgabe war klar formuliert: Wer zuerst 100 000 Kilometer läuft hat gewonnen. Ebenso klar wie die Aufgabe war das Ergebnis. Die Ostfriesen haben mit Unterstützung von Sportlern aus der gesamten Region einen Kantersieg gefeiert.
Schwaben setzen auf Prominenz
Schon bevor am 22. Dezember der Startschuss fiel, ahnten die Schwaben, dass es eng werden könnte. Zu groß war die Beteiligung im hohen Norden. Werbewirksam setzten sie auf Sportprominenz. So trat für die Mannschaft des Einstein-Marathons unter anderem Dieter Baumann an. Baumann hatte 1992 olympisches Gold über 5000 Meter gewonnen. Doch auch das beeindruckte die Ostfriesen kaum. Zu Beginn der Challenge kamen auf jeden Starter der Schwaben zwei Läufer an der Küste. „Auch wenn die Ostfriesen mehr Anmeldungen haben als wir Schwaben, wir laufen ihnen einfach davon. Morgen werden wir sie überraschen“, hieß es aus Ulm. Doch daraus wurde nichts. Nach 24 Stunden hatten die Schwaben 7410 Kilometer absolviert. Sicherlich kein schlechtes Ergebnis, aber gegen die 21 528 Kilometer des Teams aus Ostfriesland einfach nicht genug. „Lasst uns dem kühlen Norden zeigen, was der wilde Süden trotz Corona noch im Kompressionsstrumpf hat“, hieß es vor dem Start noch großspurig.
Mehr als 5200 Starter im hohen Norden
Die Zahl der Teilnehmer stieg auf beiden Seiten stetig. Inzwischen haben sich auf der Seite des Einstein-Marathons mehr als 3600 Sportler registriert, die Ossiloper vermelden gut 5200 Athleten. Mit dabei ist auch Thilo Janßen. Der Fußballer des TuS Strudden hatte über die sozialen Medien von der Challenge erfahren und sich umgehend angemeldet. „Ich laufe ja sowieso, da musste ich nicht lange überlegen“, sagt Janßen. Als er am 22. auf seine erste Runde für den Vergleich mit den Schwaben ging, hatten andere schon fleißig Kilometer abgespult. „Einige haben heute Morgen schon 20 Kilometer hinter sich gehabt“, fügt er hinzu. Die absolvierten Strecken werden über die Apps oder auf den Internetseiten der Veranstalter eingetragen. Dadurch ist es möglich, fast in Echtzeit Zwischenstände abzurufen. Und die sahen für die Schwaben nicht gut aus. An den Feiertagen waren die Läufer fleißig unterwegs. Auch Thilo Janßen drehte in Friedeburg seine Runden. Die Challenge sei ein guter Anreiz, auch über Weihnachten zu laufen, erklärt er. Schließlich neigen auch Sportler dazu, es über die Feiertage etwas ruhiger angehen zu lassen. Druck machen will er sich aber nicht. Wie viele andere auch, läuft er sein normales Pensum und vielleicht ein paar Runden extra.
Zeiten spielen dabei keine Rolle. Laufen, Walken oder Spazierengehen – jeder zu Fuß absolvierte Kilometer zählt. Nach dem großen Erfolg des virtuellen Ossiloops im Mai ist die Laufbereitschaft in der Region ungebrochen. Neben Lauftreffs sind Nachbarschaften, Familien, Freundeskreise und andere Sportvereine unter einen Namen an den Start gegangen. Fuß-, Hand- und Volleyballer sind ebenso dabei, wie Sportschützen, Boßler und Turner. Wie beim Ossiloop haben sich auch viele Gruppen aus Firmen, Behörden und Schulen angemeldet.
Jeder läuft auf seiner Heimstrecke
Dabei ist jeder einzelne auf seiner Heimstrecke unterwegs. Und diese Strecken liegen nicht nur in Ostfriesland. Starter aus Friesland, Wilhelmshaven, dem Ammerland und Oldenburg sind ebenso dabei, wie zahlreiche Butenostfriesen. Gelaufen wird in Nordrhein-Westfalen ebenso wie in Schleswig-Holstein. Anmeldungen liegen auch aus dem Ausland vor. Selbst im Schwabenland sind einige Nordlichter für das Team Ossiloop unterwegs. Schnell machten Hochrechnungen die Runde, wann die 100 000 Kilometer geknackt werden. Doch das stürmische Wetter an der Küste sorgte für Verzögerungen. Bei vielen siegte Vernunft über Ehrgeiz und die Sportler verzichteten darauf, bei starkem Wind durch den Wald zu laufen. Am Sonntag um 12 Uhr war es aber soweit. Die Athleten aus dem hohen Norden erreichten als erste die magische Marke. Und viele konnten sich ein Grinsen nicht verkneifen, als sie auf den Zwischenstand blickten, denn die Schwaben hatten noch nicht einmal die Hälfte geschafft. Knapp 46 800 Kilometer standen zu diesem Zeitpunkt für die Teilnehmer aus dem Süden zu Buche.
Regionen mit ähnlichen Voraussetzungen
Dabei waren die Voraussetzungen durchaus ähnlich. Sowohl Ostfriesland als auch die Region Ulm/Neu-Ulm und die umliegenden Landkreise haben etwa 500 000 Einwohner. Doch die Laufbegeisterung im Norden ist offensichtlich größer. Dass aber mehr als 5000 Sportler für die Ostfriesen starten werden, damit haben auch die Verantwortlichen des Ossiloops nicht gerechnet. Immerhin sind das noch einmal 1700 Athleten mehr als bei der virtuellen Auflage des Etappenlaufs im Mai. Doch die Sportler haben sich an das neue Format gewöhnt. Auch wenn sie lieber in ihrer Gruppe und vorbei an Zuschauermassen laufen, hat die virtuelle Austragung auch ihren Reiz. Für Thilo Janßen spielt da die freie Wahl von Ort und Zeit eine große Rolle. Er ist selbst Fan des Ossiloops, doch er hat es erst ein Mal geschafft, teilzunehmen. 2013 ist er mit dem Team von Möbel Buss gestartet. Die gemeinsamen Touren mit dem Bus, die Masse an Läufern und vor allem die Zuschauer haben ihn begeistert. „Überall sind Leute und feuern dich an. Und die sind nicht nur für die Spitze da. Jeder wird unterstützt“, berichtet er. Gerne hätte er auch in den vergangenen Jahren mitgemacht, doch der Ossiloop kollidierte immer wieder mit seinen Verpflichtungen beim Fußball.
Noch ist für die Läufer nicht Schluss
Und mit Erreichen der 100 000 Kilometer ist noch lange nicht Schluss. Denn auch wenn das Etappenziel mit deutlichem Vorsprung absolviert wurde, geht die Challenge weiter. Am 10. Januar werden die Organisatoren sehen, welche Region mehr Kilometer in den Beinen hat. Der Vorsprung der Ostfriesen ist zwar beachtlich, doch die Schwaben haben noch nicht aufgegeben. Als im Norden der Sturm übers Land fegte, haben sie etwas aufgeholt. Viele fühlen sich an der Sportlerehre gepackt und wollen ihr Laufpensum in den kommenden Tagen noch erhöhen. Aber auch die Ostfriesen und ihre Mitstreiter aus der Region werden die Laufschuhe sicherlich nicht im Schrank verstecken. Vielleicht gelingt es sogar, die Schwaben zu überrunden und am 10. Januar einen Vorsprung von 100 000 Kilometern zu erreichen.
Bäume pflanzen durch Spenden
Ein Gewinner steht übrigens schon jetzt fest: das Klima. Denn die Schwaben pflanzen für jeden ihrer Teilnehmer einen Baum. Auch auf ostfriesischer Seite hat jeder Starter bei der Anmeldung die Gelegenheit, zu spenden. Für das Projekt Bäume pflanzen in der Stadt Leer sind bereist 14 500 Euro zusammengekommen. Die Organisatoren auf beiden Seiten hoffen, dass sich auch in den kommenden Tagen noch Läufer anmelden und so die Aktion unterstützen. Die Teilnahme an der Challenge selbst ist kostenlos.
Mehr Infos unter www.ossiloop.eu
aus "Anzeiger für Harlingerland" vom 29.12.2020